Mittwoch, 20. Juli 2016

Tag 8: Ostrava - Karvina -- Ein ganz normaler Pilgertag

Nach der gestrigen Pause ging es heute wieder munter und fröhlich zu Fuß weiter. Die Gastfamilien brachten uns wieder in die Pfarrkirche von Vratimov zurück, wo wir den Tag mit dem Morgengebet starteten. Man erzählte einander noch, wie man die Nacht bei den verschiedenen Gastfamilien verbrachte und zog Vergleiche. Manche meinten, in einem Wasserturm geschlafen zu haben und brachten Beweisfotos. 
Dann setzten wir unseren Marsch in Richtung Krakau fort („Gemma Gunta!“). Zunächst führte uns der Weg lange Zeit durch Vratimov. Viele der Häuser hatten umzäunte Gärten und Hunde, die sich lautstark bemerkbar machten. Ein Gebell löste das nächste ab. Wir begegneten also an diesem Vormittag weit mehr Hunden als Menschen.
Auch an diesem Tag hielten wir eine Zeit gemeinsamen Schweigens. Kaplan Günther gab wieder einen Impuls zu einem der 14 Werke der Barmherzigkeit. Diesmal ging es um das fürbittende Gebet für Lebende und Verstorbene. Wozu beten? Wozu für andere beten? Wozu für Verstorbene beten? Die Zeit des Schweigens endete mit der Notfallversorgung eines unabsichtlicherweise im Abflussschlamm gelandeten Rucksacks und eines gemeinsam gesprochenen Gebetes, bei dem wir einander segneten.
Der Weg führte uns nach Havírow, wo wir die Hlavni trida entlang gingen: eine lange, breite Straße mit imposanten und schön restaurierten Sozialbauten. Währenddessen tauschten wir uns - wie auch sonst üblich - in Zweiergruppen über ein Papstzitat aus. Das Thema: Einander vergeben ist schwer, aber schafft Barmherzigkeit. Diese Austauschrunden erleben wir als sehr bereichernd, weil wir nicht nur theoretisch und allgemein Sachverhalte diskutieren, sondern die eigenen Erfahrungen miteinander teilen.
Unser silberner Begleitbus kündigte uns das Mittagessen an. Fanny und Georg hatten uns in bewährter Manier das Mittagessen vorbereitet. Diesmal konnte erstmals der Gasbrenner in Gang gesetzt werden. Das erste warme Gericht der Feldküche: Erdäpfelsuppe mit Würstel - oder Würstelsuppe mit Erdäpfel - eine Frage der Interpretation. Aber wie immer gab es weit mehr als das. Ein reichhaltiges Buffet war auf dem großen Tuch zu finden. Ein Teilnehmer holte noch eine seiner französischen Importwaren hervor, von der wir alle kosten konnten.





Ein kurzer Regenschauer kam pünktlich zum Ende der Mittagspause und beschleunigte den Abmarsch („Gemma Gunta! - Fahr’ ma, Fanny!“). Der zweite Teil eines „ganz normalen Wandertages“ folgte. Fr. Stephan ist inzwischen unser Navigator geworden. Mit der Karte und dem GPS in der Hand führt er uns bei Weggabelungen in die richtige Richtung. Auch wenn man weiß wo man hin will, weiß man nicht automatisch, wo der Weg dorthin verläuft. Nicht jede Brücke auf der Karte, gibt es auch in der Realität (20 Jahre gehen schnell vorbei). Manchmal bekommt man als Wallfahrtsgruppe Fragen gestellt wie: „Wollt ihr den schönen, gefährlichen (wegen der Landstraße) Weg gehen, oder den schönen, aber nicht in der Karte markierten Weg?“ 


Und dann kann es passieren, dass man mitten auf dem Weg und beim Rosenkranzbeten vor einer 2,5 Meter hohen Erdaufschüttung steht und sich fragt, was das solle. Gut, das Hindernis war nicht unüberwindbar und der Rosenkranz musste weitergehen. Aber als wir vor der zweiten Erdbarriere standen, wurde uns klar, dass wir uns verlaufen hatten und in einem aufgelassenen Schwarzkohlebergwerk gelandet waren. Als wir uns dann in der weitläufigen, schwarzen Landschaft orientiert hatten, äußerte jemand die Überzeugung: „Am sichersten sind wir, wenn wir auf den Eisenbahnschienen gehen.“ So konnte der Rosenkranz und der Weg fortgesetzt werden.






An dieser Nachmittagsetappe hat auch Fanny teilgenommen. Sie ist uns bisher nie so aufgefallen. Der Grund könnte an der Tarnfarbe ihres Regenschutzes liegen.
Irgendwann konnten wir die schwarze Mondlandschaft verlassen und wir näherten uns der nächsten Station: Karvina. Auf den dorthin führenden Landstraßen sahen wir viele alte Industrieanlagen, aufgelassene Schienen, verrostete Rohre und hyperaktive Gelsen; und was es auch auch auf österreichischen Landstraßen zu finden gibt: Müll. Marie-Therese lässt keine Plastikflasche oder Aludose aus und bringt sie alle zur nächstgelegenen Sammelstelle. Laut Jugendbischof sind es inzwischen „geschätzte 400 Kilo“.





Karvina selbst aber präsentiert sich als wunderschöne, kleine Stadt. Die österreichische Fahne wurde am Pfarrhof gehisst. Neben der tschechischen Fahne war für eine französische leider kein Platz mehr zu finden. Die Messe in der Pfarrkirche von Karvina begann wie im Plan vorgesehen (hungrig und ungeduscht). Ausgehend vom Tagesevangelium erinnerte Jugendbischof Stephan daran, dass Christen untereinander nicht nur Freunde seien, sondern Brüder und Schwestern. Freunde könne man sich aussuchen. Anders ist es bei der Familie. Ihre Zusammensetzung entspringe eines „heiligen Ursprungs“.

Der ganz normale Pilgertag endete mit der Unterbringung in verschiedenen Gastfamilien.

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