Samstag, 16. Juli 2016

Tag 5: Perná - Velke Nemčice


Heute war unser erster voller Tag in Tschechien. Bei der Messe in der kleinen Kirche in Perna, direkt neben unserem Quartier im alten Pfarrhaus, waren auch diesmal die Gastgeber aus dem Dorf mit dabei, was uns mindestens so sehr gefreut hat, wie das knappe Kilo (!) hausgemachte Leberwurst zum Frühstück. Unterwegs wurde uns unter Marillenbäumen ein zweites Frühstück „to go“ beschert.

Unser erster Fixpunkt für den geistlichen Weg („das Papstzitat“ mit anschließendem Gespräch zu zweit) kam diesmal aus Amors Laetitia (AL, 78)zum Thema „den anderen mit den Augen Gottes betrachten“ - „einfach so“ und mit ganzer Aufmerksamkeit. Einen solchen Blick erleben ist etwas unglaublich Befreiendes, auch diesen Blick des Herzens selbst zu leben, auch wenn es immer wieder der Entscheidung bedarf.

Der Weg für unsere Füße führte uns auf unserer bisher kürzesten Etappe (20 km) derweil bald stramm bergan durch den Wald. Erster landschaftlicher Höhepunkt war eine schroffe Felsformation, die zu einem Mini-Kletter-Exkurs einlud und uns oben angekommen eine geniale Sicht auf den See im Tal bot. Auch schön: Wann kann man schonmal selbst das Kreuz auf einen Gipfel tragen!

Inmitten der Felslandschaft blieb ein Anblick besonders hängen: ein riesenrunder Fels auf der Bergseite des Pfades, über 10m breit und hoch, gehalten - so schien es - allein von einem schmalen Baum. „Wie Christus!“, brach es aus einigen heraus, „der ein solches Riesengewicht für uns getragen hat.“

Nächstes Zwischenziel war die Devicky Ruine - eine Ruine, die noch richtig Gelegenheit zum Erkunden bot. Und dort ging es schon los: unser Singfieber am Tag fünf… das Halleluja erschallte von den Bergen. 
Auf dem steilen Hinunterweg zum Stausee wurden ein weiteres Mal unsere Knie und Knöchel auf Wallfahrts-Tauglichkeit geprüft, aber die halb-unverhoffte Entdeckung eines kleinen Wein-Festes hat Ausgleich gebracht: knoblauchige frittierte Kartoffelspiralen wurden direkt an Ort und Stelle verspeist, gebrannte Mandeln, Räucherkäse und Karamell-Waffeln für die Mittagspause eingepackt.




Beim zweiten geistlichen Impuls ging es diesmal um „Demütigungen ertragen“ bzw. davon ausgehend um die Frage wie man eigentlich vergeben kann und wir haben fünf Schritte mit ins anschließende Schweigen genommen, wie der Benediktinermönch Anselm Grün sie formuliert: Schmerz zulassen, auch die Wut über erfahrenes Unrecht, die Bemühung, den anderen in seinem Handeln zu verstehen und einzuordnen, die Vergebung - das Loslassen und Abgeben - selbst, und zuletzt das Entdecken der „Perle“ die der vielleicht auch beschwerliche Weg der Vergebens uns doch geschenkt hat. 

Auf dem letzten Wegdrittel auf meist geraden Wegen entlang von Flüssen und über hügelige Felder packte uns dann endgültig das Sing-Fieber. Wir warfen alles zusammen, was wir an Liedgut, Notenkenntnissen und Lobpreisleidenschaft hatten, und so haben wir uns durch den Liedteil des Pilgerbuches gearbeitet. Bergauf kamen wir uns zwar bisweilen vor wie mehrstimmige Dampfmaschinen, aber es war eine Riesengaudi zum Lob des Schöpfers und am Ende der Aktion kannten alle mehr Lieder als zuvor. 


Zum feierlichen Abschluss des Pilgertages erwartete uns ein engmaschiges und übermannshohes Spalier von ungelogen gut 3m hohe Brennnesseln in voller Blüte. Ausgerechnet dieses Wegstück hatten wir für den Rosenkranz vorgesehen, der im Gänsemarsch nicht einfacher wird…; andererseits war es auch schön: vor jedem Gesätz bringt jemand von uns ein Gebetsanliegen ein und heute waren es v.a. Menschen, die unter der Beschwerde von Krankheit und Hoffnungslosigkeit leiden. Da war es wiederum passend, selbst durch ein beißendes Gestrüpp und Dickicht zu gehen und im Gebet mitzufühlen mit denen, die wir im Herzen getragen haben. Auch der Gedanke ans Lied „Maria durch ein Dornwald ging“ war nicht weit. 


Ein weiteres Mal erwartete uns am Abend eine gute Gulasch-Stärkung, aber man konnte bei aller Ähnlichkeit bereits regionale Unterschiede schmecken. Besonders spannend: hier in Velke Nemcice wird frisch geriebener Kren dazu gereicht. Mjam!

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